
Patrick Owomoyela, Ihr Ex-Klub hat nach einem enttäuschenden Saisonfinale einen durchwachsenen Start hingelegt. Woran liegt’s?
Das ist immer schwierig an einzelnen Faktoren festzumachen. Es kam eben einiges zusammen: eine Veränderung im Kader, das muss sich finden. Aber auch eine ungewöhnliche Vorbereitung, aufgrund der vielen Reisen innerhalb der USA …
… USA? Herr Owomoyela, wir wollten mit Ihnen über Arminia Bielefeld sprechen!
(Lacht.) Ich bin nicht ganz im Thema, aber kann Ihnen sagen, dass die Arminia noch Immer einen Platz in meinem Herzen hat. Es war schon eine Achterbahnfahrt zuletzt und der zweite Abstieg in Folge hat mich sehr geärgert. Aber wenn Sie von mir eine detaillierte Analyse erwarten, müssten wir über den BVB sprechen.
Einverstanden. Von einem idealen Saisonstart kann auch beim BVB keine Rede sein, oder?
Natürlich nicht, trotzdem sehe ich die Situation ein wenig differenzierter. Aktuell befinden wir uns zwei Punkte hinter dem Tabellenführer, eine große Krise ist das nicht. Trotzdem ist es richtig, dass wir Spiele auf dem Programm hatten, bei denen wir uns mehr ausgerechnet haben. Mich stimmt es positiv, dass die Mannschaft ihr Potenzial angedeutet hat.
Wie schauen Sie eigentlich auf die Spiele des BVB? Als TV-Experte, Fan oder Ex-Spieler?
Seit meinem ersten Tag beim BVB habe ich Dauerkarten und die kaufe ich jedes Jahr gerne wieder. Einfach, weil ich gerne ins Westfalenstadion gehe. Das Gute ist: Ich kann mich sehr mit dem BVB freuen – und muss mich zum Glück nicht mehr ganz so arg ärgern wie zu meiner aktiven Zeit. Und trotzdem steckt so ein Nachmittag wie am 34. Spieltag noch lange in den Knochen.
Wie haben Sie das Spiel gegen Mainz erlebt?
Ich war im Stadion, weil ich für die Auslandsabteilung der DFL kommentieren sollte. Ich weiß noch, es war super Wetter, eine Euphorie war in der Stadt zu spüren, alle waren sich sicher, dass es klappt. Und ja …
Wann hatten Sie zum ersten Mal den Eindruck, dass es schiefgehen könnte?
Ich stand mit dem Mikro nahe der Dortmunder Bank und habe mich gefragt, warum dort so viele Fliegen herumschwirren. Schnell stellte sich heraus: Das ist eine Wespen-Invasion! Die Feuerwehr musste rausrücken und die Insekten, die sich bei einem Sender auf die Lampen gesetzt hatten, aus dem Stadion bringen. Bis es so weit war, waren schon einige Personen gestochen worden. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das war gar nicht so schlimm – aber in dem Augenblick habe ich an ein böses Omen gedacht. Kurz darauf fiel auch schon das erste Gegentor.
Wie war die Stimmung im Stadion?
Ich kenne die Atmosphäre ja sehr gut und es war völlig anders. Die Menschen waren weit vor Anpfiff im Stadion. Alle wollten früher da sein, das Wetter oder ein erstes Bier genießen, die Stimmung kreieren. Als die Mannschaft zum Aufwärmen kam, war es so energiegeladen, dass ich noch jetzt eine Gänsehaut bekomme.
Im Vorfeld des Spiels entstand der Eindruck, alle würden alle nur darauf warten, dass sich der BVB die Schale abholt.
Absolut. Endlich ein anderer Meister als die Bayern! So emotional es vor Anpfiff war, so leise wurde es mit dem ersten Gegentor. Das hat alles erstickt, so eine Stille habe ich noch nie erlebt. Es war sehr emotional für mich. Auch weil in den letzten Minuten der Saison die Meisterschaft noch einmal greifbar war, als Köln zum Ausgleich gegen die Bayern traf. Es war bitter. Nach Abpfiff wusste ich lange nicht, wohin mit mir. Später am Abend waren wir zum Essen verabredet, auch Sebastian Kehl als Geschäftsführer kam. Ich muss Ihnen das vermutlich gar nicht sagen: Es war ein trostloser Abend.
Zusammen mit Sebastian Kehl sind Sie zwei Mal Deutscher Meister mit dem BVB geworden. Welche Momente kommen Ihnen in den Kopf, wenn Sie daran denken?
Oh, das ist ein Potpourri an Bildern. Die Platzstürme werde ich nie vergessen, als der ganze Rasen voll war. Aber auch die Feierlichkeiten am Borsigplatz: Neven Subotic auf dem Auto, geknotete Schals an den Laternenmasten, Hunderttausende auf den Straßen.
Die beste Feier Ihrer Karriere?
Ich hatte das große Glück, nur wenige Tiefpunkte in meiner Laufbahn hinnehmen zu müssen. Highlights hingegen fallen mir einige ein: Die Champions-League-Qualifikation 2006 mit Werder Bremen mit einem 2:1‑Derbysieg gegen den HSV am letzten Spieltag, zum Beispiel. Der Aufstieg mit Arminia Bielefeld in die Bundesliga war besonders wild, mit einem Unentschieden in Osnabrück hatten wir es dingfest gemacht. Die 60 Kilometer zurück im Mannschaftsbus wurden dermaßen ausgenutzt, dass nicht ganz klar war, ob man uns noch auf den Rathausmarkt schicken sollte. Ernsthaft: Ein Aufstieg, eine Meisterfeier, das ist ja nur noch ein einziger Rausch. Hauptsache, deine Familie, Freunde und gute Leute sind dabei. Und ausreichend Sprit im Tank.
Auch die Szenen nach dem Schlusspfiff am letzten Spieltag der vergangenen Saison gegen Mainz bleiben wohl für immer in Erinnerung – trotz der verpassten Party. BVB-Coach Edin Terzic betont häufig, dass in diesem Moment ein neues, emotionales Band zwischen Mannschaft und Fans entstanden sei.
Ich finde es richtig, dass der Trainer das nutzen möchte, was am 34. Spieltag nach Abpfiff passiert ist. Es war etwas Besonderes, welche Unterstützung in diesen Momenten von den Rängen kam. Als Fußballer ist es wichtig, zu wissen, für wen man spielt. Und für diese Fans, die so reagiert haben, nun etwas Großes zu kreieren, das treibt an. Dass das nicht sofort funktioniert, ist irgendwie logisch: Der Druck ist immens. Aber ich glaube, dass jedes Ergebnis, jeder Sieg, hilft, diese Last von der Mannschaft zu nehmen.
Der verpatzten Chancen nachzutrauern und das Finale gegen Mainz tausendfach an der Playstation nachzuspielen, macht also wenig Sinn?
Nein, so muss das niemand verarbeiten. Die meisten Spieler haben das mit in den Urlaub genommen, aber das ist jetzt vorbei. Jetzt geht es darum, dass die Dinge wieder automatisch funktionieren. Genug Qualität dafür hat der Kader.
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Dieses Interview entstand im Rahmen des Launch Events von EA SPORTS FC 24.
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