
WM-Qualifikation, Minsk, Weißrussland: Dynamo-Stadion, 15. Oktober 2008, 40000 Zuschauer
Gleich mehrere Staaten profitierten von diesem Spiel. Aus Kostengründen flogen tausende englische Fans über Drittländer nach Weißrussland ein. Geschlafen und gezecht wurde in der Nacht vor dem Spiel auch in Vilnius. Die litauische Hauptstadt liegt rund 200 Kilometer von Minsk entfernt. Unsere für die Zugfahrt von Vilnius nach Minsk bereits in Deutschland erworbenen Tickets hinterließen beim Personal am Hauptbahnhof aber wenig Eindruck. Mangels Platzkarte, die umgerechnet nur wenige Euro gekostet hätte, wurden zwei England-Fans und ich von den Schaffnerinnen eiskalt auf dem Bahnsteig zurückgelassen – morgens um 6.30 Uhr. Als wir es darauf mit dem Bus versuchten, mussten wir erfahren, wieso die Fahrt stets über vier Stunden dauert. 70 Minuten stand der Bus an der Grenze zwischen dem EU-Mitgliedsland Litauen und dem moskautreuen Weißrussland, damit eine Beamtin rund 50 Einreisevisa abstempeln konnte.
Am Hauptbahnhof in Minsk stiegen viele englische Fans aus, argwöhnisch beobachtet von halbstarken Weißrussen. Deren Drang wurde jedoch eingeschränkt. Polizei- und Sicherheitskräfte patrouillierten durch die Straßen der ungewöhnlich sauberen Stadt. In Minsk lassen sich kaum Papier- oder Zigarettenreste finden. Die 5000 englischen Fans hielten sich nicht unbedingt an das regionale Reinheitsgebot, aber sie feierten friedlich in Kneipen und Restaurants. Zudem gab es auch etwas für die Augen. Nicht nur die City-Magistrale, die der Berliner Karl-Marx-Allee ähnelt, glich einem Laufsteg. Im Sekundentakt liefen wunderschöne und sehr modisch gekleidete Weißrussinnen vorbei. Im Dynamo-Stadion, wo 1980 sieben Spiele des olympischen Fußballturniers stattfanden, interessierte dieser inoffizielle Model-Contest jedoch weniger. 40000 Zuschauer kamen, um Steven Gerrard, Wayne Rooney und Edelreservist David Beckham zu sehen.
»Das volle Stadion ist Ausdruck des Aufschwungs des belorussischen Fußballs«, sagte Bernd Stange, der deutsche Trainer der Weißrussen. Auf dem Oberrang der baufällig erscheinenden Haupttribüne blieben jedoch tausende Plätze leer. Dort beobachteten nur ein paar Uniformierte die Lage. Zwischen den Fans saßen Soldaten, die das Gleiche taten. Während die Gäste die schnelle Führung durch Steven Gerrard dennoch sorgenlos bejubelten, rasteten die mit Tröten bewaffneten weißrussischen Anhänger beim Ausgleich von Pavel Sitko regelrecht aus. La Ola schwappte sogar durch den Ultra-Block, in dem immer wieder Doppelhalter mit belorussischen Städtenamen und Schals in den Landesfarben gezeigt wurden. Nach der Pause erwiesen sich die Engländer als cleverer und Wayne Rooney mit zwei Toren als oberster Spielverderber. Am nächsten Morgen rollte die englische Karawane zurück über Vilnius. Von dort gingen die Flieger in Richtung Heimat. Viele Anhänger waren für 90 Spielminuten drei oder vier Tage unterwegs. Abschrecken konnte sie das nicht. Am 6. Juni 2009 wollen viele von ihnen eine noch größere Reisehürde nehmen – zum Auswärtsspiel in Kasachstan. Der eine oder andere Supporter wird dann alleine für eine Strecke eine Woche im Zug sitzen.
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