
Zu behaupten, Jack Coles sei ein Fußball-Nerd, wäre wohl eine glatte Untertreibung. Der 41-jährige Engländer verdingt sich tagsüber als Spiel- und Spielerdaten-Analyst für den Zweitligisten Coventry City. Abends, in seiner spärlichen Freizeit, arbeitet Coles am heimischen PC als Spieler-Rekruteur für die Nationalmannschaft des westafrikanischen Guinea-Bissau.
Seit Coles seine (Maus-)Finger im Spiel hat, weist das Zwei-Millionen-Einwohner-Land eine steile fußballerische Erfolgskurve auf: War Guinea-Bissau zuvor 30-mal in Folge an der Qualifikation zum Afrika-Cup gescheitert, konnte sich die bitterarme Nation zuletzt viermal in Serie ein Turnierticket erkämpfen. Zwar schied man bei den bisherigen drei Teilnahmen jedes Mal als Gruppenletzter nach der Vorrunde aus. Aber das soll beim nächsten Afrika-Cup (13. Januar bis 11. Februar 2024) ganz anders laufen – auch und nicht zuletzt dank Jack Coles.
Immer mehr Profis wollen für Guinea-Bissau spielen
Der Fußballdaten-Experte sucht weltweit nach Kickern mit familiären Wurzeln in Guinea-Bissau. Anfangs erntete Coles viel Misstrauen von potenziellen Kandidaten, doch nach den ersten Rekrutierungen trat das ein, was der Brite einen „Schneeballeffekt“ nennt: Immer mehr Profis wollen nun für Guinea-Bissau spielen. So rekrutierte Coles zuletzt den ehemaligen portugiesischen U21-Nationalspieler Carlos Mané (29, Kayserispor). Der in Lissabon geborene Ex-Unioner debütierte erst im September im Trikot der Westafrikaner – beim 2:1‑Sieg über Sierra Leone in der Afrika-Cup-Qualifikation.
Guinea-Bissau war lange Zeit portugiesische Kolonie und wurde erst 1974 vollständig unabhängig. Bis heute ist das Land kulturell und wirtschaftlich eng mit Portugal verbunden. In den letzten fünf Jahrzehnten emigrierten viele seiner Bewohner auf die iberische Halbinsel, die meisten zog es in den Großraum Lissabon. Dort wuchs auch Ronaldo Camará (20) auf. Der Profi von CD Feirense durchlief ebenso wie Carlos Mané zahlreiche portugiesische Junioren-Nationalteams, entschied sich dann aber für Guinea-Bissau.
„Während ich Football Manager spielte, wurde ich auf die Möglichkeit aufmerksam, dass Spieler unter gewissen Voraussetzungen von einem Land zum anderen Land wechseln können“
Um Spieler wie Mané und Camará ausfindig zu machen, benötigt Jack Coles eigentlich nichts weiter als ein paar einschlägige Websites und Datenbanken. So lässt sich relativ schnell und zuverlässig recherchieren, wer theoretisch für Guinea-Bissau auflaufen könnte. Hat der Engländer einen potenziellen Kandidaten entdeckt, checkt er dessen Leistungsdaten. Sind diese halbwegs vielversprechend, kontaktiert er den Spieler oder dessen Agenten – in der Regel via LinkedIn.
Die Idee, Nationalspieler für ein wildfremdes Land zu rekrutieren, kam Coles beim Zocken am PC: „Während ich Football Manager spielte, wurde ich auf die Möglichkeit aufmerksam, dass Spieler unter gewissen Voraussetzungen von einem Land zum anderen Land wechseln können“, verrät der er dem britischen Guardian: „Zuerst sah ich mir die Verbindungen zwischen Curacao und den Niederlanden an und stellte schnell fest, dass es hier besonders viele Spieler mit doppelter Staatsbürgerschaft gab.“
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